Anmerkungen zur Transkription
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Rose-Struck.
Zweite Auflage.
Verlag der Hochland-Buchhandlung Garmisch.
Copyright 1919 by
Hochland-Verlag, Garmisch.
Im Zimmer war es ganz still und dunkel.Mutter lag krank in dem großen Bett hinten inder Ecke und auf dem Fensterbrett neben demRosmarinstock saßen Lenchen und Lottchen. Lenchenspielte mit ihrer Nasenspitze, Lottchen knacktemit ihren Fingergelenken. Sonst war es ganz still.
Auf einmal rührte sich hinten in der Ecke diekranke Mutter, seufzte schwer und sagte: »Ihrarmen Kinder – und heute ist Weihnachten!«
Dann war's wieder ganz still.
Da stieß Lottchen Lenchen am Ellenbogenund flüsterte: »Weihnachten!«
Und Lenchen antwortete: »Ja, Weihnachten!– aber wo denn?« Dann saßen sie wieder still;nur daß Lottchen an ihrer Nase spielte und Lenchendie Fingergelenke knacken ließ.
Da fiel kurz und schnell ein heller Lichtscheindurch's Fenster und verschwand gleich wieder. DieKinder schauten hinaus – schauten und erblicktenin der Ferne über dem Walde ein helles Leuchtenund Strahlen.
»Da, da ist ja Weihnachten!« flüsterte Lenchenund Lottchen stellte sich auf das Fensterbrett unddrückte die Nase gegen die Scheiben und Lenchenmachte es ihr nach.
»Da ist Weihnachten – da müssen wir hin!«flüsterte Lenchen und öffnete ganz leise das Fenster.
Da sahen sie vor dem Fenster eine herrlichegoldene Treppe, die führte hinab in das Gärtchen.Die stiegen sie ganz vorsichtig hinunter und gingenHand in Hand hinaus auf die Landstraße. Nunsuchten sie mit den Augen den hellen Schein überdem Walde. Der war aber nicht mehr zu sehen.Da fürchteten sich die Kinder sehr und wolltenwieder umkehren. Plötzlich hörten sie über sichein feines Schnarren und als sie in die Höhe[5]sahen, flog da ein reizender kleiner Engel mitsilbernen Flügeln und hatte ein blankes Rauschgoldröckleinan. Das Englein winkte ihnen undflog immer vor ihnen her. So kamen sie in denWald auf einen breiten Weg. Rechts und linksstanden ernste, hohe Tannenbäume Spalier, sowie die Soldaten es machen, wenn der König vorüberkommt.Und Lenchen und Lottchen hättengroße Angst gehabt, wenn ihnen das liebe Engleinnicht den Weg gezeigt hätte. Da begann das Engleinzu fingen und die Kinder stimmten mit einin das schöne Lied: »O du fröhliche, o du selige,gnadenbringende Weihnachtszeit« und marschiertentapfer drauflos. Endlich hörte der breite Wegauf und sie standen vor einem engen, dunklenWaldpfade.
»Wer kommt in mein Reich?« rief eine lauteStimme. »Was sucht Ihr hier?«
Ein riesengroßer, bärtiger Mann trat ausdem Dunkel und fragte: »Was sucht Ihr denn beimir, Ihr Kinder, he?«
»Weihnachten suchen wir!« antworteten zitternddie Kleinen. »So, das ist aber merkwürdig.Warum sucht Ihr Weihnachten denn nicht zuH