HENRY VAN DE VELDE

AMO

LEIPZIG
INSEL-VERLAG

 

5

Amo – Credo
ICH LIEBE – ICH GLAUBE

Diese beiden Bekenntnisse widersprechensich in nichts, und doch widerstreben sieeinander, dadurch, daß das eine naturgemäßnach Betätigung verlangt, währenddas andere passiver Natur ist.

Wohl möglich, daß eine abwartende Haltungnicht mehr in die heutige Gesellschaftpaßt und daß derjenige, der das, was er liebt,laut verkündigt, mehr Aussicht hat, diewie er im Lebenskampf Stehenden mit sichfortzureißen, als der, welcher seinen Glaubenbekennt; und daß der Glaube infolgedessenallen Wert verloren hat, um so mehr,als sich einstweilen erwies, daß überall,auf philosophischen und materiellen Gebieten,unsere gegenwärtige Gesellschaftihren Glauben in Dinge und Gedanken,die sie nicht liebt oder nicht mehr liebt,6öffentlich ausspricht. Denn das, was siezu gleicher Zeit liebte und glaubte, könnteman wohl an den Fingern abzählen.

So hat denn die Liebe ihre Hand zurückgezogen,die sie einst in die des Glaubensgelegt, und ihn dadurch aller Kraft beraubt.Der unerschöpfliche Zufluß ist damitversiegt, und dieser unheilvolle Zustandwird so lange anhalten, als die Liebeihrer verarmten Schwester keine neuenSchätze zuführt. Die Liebe ist fähig, denGlauben wieder in Ansehn zu bringen, weilwir da nicht lieben können, wo wir nichtglauben.

So kann man also mit vollem Vertrauenhierin alles von der Liebe annehmen undkann an denjenigen glauben, der liebt;währenddem wir uns auf den Glauben nichtmehr ungeprüft verlassen, und den nichtmehr ohne weiteres lieben können, der unsGlauben bietet.

7Einerseits war es uns im Gebiet der Architekturund des Kunstgewerbes seit langemnicht mehr möglich, an die Notwendigkeitund Wirklichkeit der Funktionen der verschiedenenBestandteile, wie: Säulen, Giebel,Metopen und Gesimse ..... zu glauben,die den Stilen des Altertums entlehntwaren. Andererseits konnte uns der Sinnund die Symbolik einer Ornamentik nichtmehr länger überzeugen, welche im Altertum,und sogar in jenen Stilen, die hauptsächlichauf denen des Altertums beruhten,niemals einen anderen Zweck gehabt hatten,als gerade diesen symbolischen Sinnund diese Bedeutung: – Greife, Widder,Girlanden und Trophäen......

So erklärten wir, die wir ehrlich sind, daßwir nicht länger eine Architektur und einKunstgewerbe lieben könnten, die nichteinmal mehr zu verbergen suchten, daßsie selbst nicht mehr an die Begriffe der8Konstruktion und Ornamentik glaubten,die sie ausschließlich anwandten!

Es entspringt also hier alles Gute undalles Übel; alles Gute, das wir von einerWiedergeburt der Architektur und desKunstgewerbes erwarten können, die vonnun ab nur noch Elemente, die sie lieben,verwenden, weil sie Glauben zu ihnenhaben; und alles Übel, das Übel, das manuns ungerechterweise angetan, indem manuns als Barbaren, welche alles zerstören,als fanatisch beschränkte Aufständige hinstellte.

Man weiß, zu welch entwürdigendemNiedergang, den Glauben verleugnend undohne Liebe, Fachleute die Architektur unddas Kunstgewerbe geführt hatten.

Im dritten Viertel des letzten Jahrhundertserreichten wir den tiefsten Stand der Erniedrigungin Geschmack und Impotenz.

Meine Gener

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