Produced by Norbert H. Langkau, tiwi and the Online
Distributed Proofreading Team at
Wilhelm Raabe
Bücherei
Erste Reihe
Band 14
Wilhelm Raabe
Bücherei
Erste Reihe:
Kleinere Erzählungen
Vierzehnter Band
Berlin-Grunewald
Verlagsanstalt für Litteratur und
Kunst/Hermann Klemm
Wilhelm Raabe
Meister Autor
oder
Die Geschichten vom versunkenen Garten
Dritte Auflage
11.-16. Tausend
Berlin-Grunewald
Verlagsanstalt für Litteratur und
Kunst/Hermann Klemm
Gedruckt bei G. Kreysing in Leipzig
Einbandzeichnung entworfen von Bernhard Lorenz
Den Einband fertigte H. Fikentscher in Leipzig
Meister Autor
oder
Die Geschichten vom versunkenen Garten
Erstes Kapitel.
Wann und unter welchen Umständen der Meister Kunemund den Ausspruch tat,weiß ich nicht mehr; aber daß er ihn tat, weiß ich.
Er sagte nämlich:
»Ich verstehe die Welt wohl noch, aber sie versteht mich nicht mehr, und sowerden wir wohl nie mehr so zusammenkommen, wie damals, als wir beide nochjünger waren. Na, mir ist's zuletzt einerlei; ja, Herr, es kitzelt einensogar dann und wann, wenn man bei sich überlegt, daß man im Grunde derJüngere von zweien geblieben ist. Laß sie alt werden, die Welt; waskümmert's mich!«
Nun sehe ich ihn doch wieder ganz genau vor mir, wie er dasaß und das Wortsagte. Es ist ganz richtig, er saß auf seiner Schnitzbank und fuchtelte mirmit seinem Schnitzmesser bedenklich vor der Nase herum, bedenklich,obgleich dieses Messer ein ganz guter, alter Bekannter von mir war. Es warein berühmtes Messer und war aus fernster Volksurzeit von Hand zu Hand bisin die Hand des Meisters herabgelangt, und er wußte gerade so gut damitumzugehen, wie alle, die es vor ihm geführt und sich damit gewehrt hatten.
Mündliche Tradition, Schreiberkunst und Druckerkunst geben uns recht:
»Da ging der Junge vor den König und sprach: Wenn's erlaubt wäre, so wollteich wohl drei Nächte in dem verwünschten Schloß wachen. Der König sah ihnan, und weil er ihm gefiel, sprach er: Du darfst dir noch dreierleiausbitten, aber es müssen leblose Dinge sein, und darfst das mit ins Schloßnehmen. Da antwortete er: So bitt' ich um ein Feuer, eine Drehbank und eineSchnitzbank mit dem Messer.«
Nun wissen wir alle, was für Ungetüm und Gespenstertum der Junge in dendrei Nächten sich vom Leibe zu halten hatte, wie er mit den Katzen Kartenspielte und wie ihm halbe Menschen durch den Schornstein herunterfielen, —halbe Menschen, zu denen er sich erst die andere Hälfte ausbitten mußte,ehe er imstande war, mit ihnen Kegel zu schieben. Wir haben manchmal, —manch liebes Mal unser Vergnügen an der Unbefangenheit des Jungen gehabtund vielleicht ihn auch dann und wann um sie beneidet: von diesem Jungenaber stammte der Meister Kunemund in gradester Linie ab und war insofernmit den berühmtesten Leuten im deutschen Volke verwandt, und nicht alleinim deutschen Volke. —
Doch da hat mich das Anfangen sofort weit in die Mitte meines Berichteshineingerissen, und das zeigt einmal von neuem, daß es immer ein gewagtesUnterfangen ist, große Herren und Damen, bedeutende Menschen, eigentümlicheund selbständige Charaktere mit der