S. Fischer, Verlag, Berlin
1907
Alle Rechte,
insbesondere das der Übersetzung, vorbehalten.
Published, February 6, 1906. Privilege of copyrightin the United States reserved under the act approvedMarch 3, 1905, by S. Fischer, Verlag, Berlin.
Nun wohne ich in einer Hütte, dieinmitten der weiten Steppe steht.
Ich lebe gerne hier, es ist so weitund so still. Niemand kennt mich,niemand kommt zu mir, ich bin ganzallein. Ich kann tun und lassen,was ich will. Ich habe keine Langeweile, meine Tagevergehen. Wie die Wolken über den weiten Himmelstreichen, so streichen die Stunden über mich hinweg.
Ich bin zufrieden.
Zuweilen denke ich noch an das Mädchen aus demWalde. Ich habe sie noch nicht vergessen, nein. Es istja nicht mehr wie früher, da ich keine Nelke am Wegesehen konnte und kein Fleckchen blauen Himmels, ohnezu denken: sähe sie es doch, sähe sie doch diese Nelke,dieses blaue Fleckchen! so ist es ja nicht mehr, aber dochdenke ich zuweilen noch an sie.
Sie war . . .
Schmuck der Welt nannte ich sie und Liebling Gottes.Ich gab ihr viele, viele Namen. Den richtigen fand ichnicht.
Möge es ihr wohl ergehen.
Es gab einen Sommer in meinem Leben, da ich micham liebsten gekleidet hätte wie ein Grieche, wehendeHaare, Rosen in den Haaren, eine goldene Leier inden Händen. Diesen Sommer gab es. Er ist längstvergangen. Sie schenkte ihn mir.
Möge es ihr wohl ergehen!
Sie kam aus dem Walde, da wo er ganz hoch undnächtig ist. Sie war blond. Golden kam sie aus demschwarzen Walde, das dachte ich oft.
Sie ging durch den Wald und sang, sie ging durchdas Feld und sang, sie sang Tag und Nacht. Es klangimmer, wo sie ging. Sie schwebte von einer Stelle zurandern, wie ein Falter, sie küßte Blumen und Bäume,sie sah Augen in den Wipfeln der Bäume. Sie glaubtean Gnome und Waldwichte . . .
An einem Morgen im zarten Frühling, da kam sieangestiegen. Ganz plötzlich tauchte sie vor mir auf.Ich saß auf der Treppe meines Hauses im Bergwaldeund sonnte mich. Wir wechselten einige Worte. Ichhabe sie noch im Gedächtnis.
Es fiel mir auf, wie schwebend ihre Stimme klang.Sie sang zur Hälfte, und sie hatte die Gewohnheit denKopf dabei zur Seite zu neigen. Sie konnte auch keinenAugenblick ruhig stehen.
Damals sah sie naß aus wie ein Baum am Morgen.Ihr Kleid war durchnäßt, ihre Schuhe, die Haare warenzerweicht und hingen über Schläfen und Wangen. Siehatte Tau auf den Lippen und Lidern. Tau und Sonnentropfen.
„Es ist heute so naß im Walde!“ sagte sie, und esrieselte über ihre Wangen.
Sie lachte.
„Sie sitzen vor Ihrem Hause, Fürst, wie ein Dachs vorseinem Bau. Wo waren Sie den langen Winter über?“