1920
S. Fischer/Verlag/Berlin
Erste bis dritte Auflage
Alle Rechte vorbehalten, besonders das der Übersetzung
Copyright 1920 S. Fischer, Verlag
Nachdem die Böhmen besiegt waren, war niemanddarüber so froh wie der Kaiser. Noch niemals hatte er mitrascheren Zähnen hinter den Fasanen gesessen, waren seinefältchenumrahmten Äuglein so lüstern zwischen Kredenz undTeller, Teller Kredenz gewandert. Wäre es möglich gewesenneben dem schweren kopfhängerischen Büffel zu seiner Linken,dem grauen Fürsten von Carafa, Hieronymus, und dem stolzschluckenden und gurgelnden Botschafter Seiner Heiligkeit imheißen Rom, — rot schimmernd die seidene knopfgeschlosseneSoutane, purpurn unter dem Tisch die Beine mit Strümpfenund Schuhen, bei den schneeweißen zappelnden derdeutschen Majestät — so hätte Ferdinand jeden den Vorhangdurchlaufenden Kammerknaben, jeden Aufträger Vorschneider,erhaben mit schwarzem Stab abschreitenden Oberstkämmerermit üppigem „Halloh“ empfangen, ihm zugezwinkert:„Heran! Näher! Nicht gezögert, Herrchen, haha.Hier sitzt er.“ Kaute, knabberte, biß, riß, mahlte, malmte.Der Oberküchenmeister bewegte sich an den gelbseidenenTapeten entlang, beäugte freudig listig durch das seitlicheGestänge des Baldachins die muskulösen Lippen Ferdinands,die wie Piraten die anfahrenden Orlogs entleerten, die Backentaschen,die sich rechts und links wulsteten, sich ihre Beutezuwarfen, sich schlauchartig entleerten, von der quetschendenZunge sekundiert.
Weich rauschte die Harfe, die deutsche Querpfeife näselte.Sprung an, Sprung ab: es hieß hurtig sein, die Becher heranschleppen;wer ißt, liebt keine Pausen; was schluckt, mußspülen. Ferdinands Lippen wollten naß sein, sein Schlundnaß, sie verdienten’s reichlich, droschen ihr Korn.
Im Reich — wovon ließ sich sprechen — im Reich ging’sgut daher. Die Böhmen geschlagen, Ludmilla und Wenzel,die heiligen, hatten die Hand von ihren tollen Verehrerngezogen: da saßen sie auf dem Sand, haha, samt Huß, allenBrüderschaften, ihrer Waldhexe Libussa, dem PfalzgrafenFriedrich. Der Pfalzgraf — wovon ließ sich sprechen — derPfalzgraf schleppte seine Königskleider im Sack, am Strickhinter sich her, im Frühjahrsdreck hinter sich her, schreienddurch die Gassen, ungeübter Bänkelsänger auf Märkten, aufDörfern: „Keiner da, der mir was zu fressen gibt? ZehnKinder und kein Ende, keiner da, der uns den Bauch stopft?Habe die englische Königstochter zur Frau, in Böhmen warich König; das ‚war‘ freut mich armen Hansen wenig.“ Werwird sprechen in solchen Zeiten.
Man läßt ihn trollen, das freche süße Zweibein, man wirdih