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von
Rudolf Eucken
1919
Verlag von Quelle & Meyer in Leipzig
1. Das deutsche Volk hat in der Vergangenheit eine ihmeigentümliche geistige Freiheit in Religion, Moral, Erkenntnisund Kunst in unvergleichlicher Weise gezeigt.
2. Bei vielfacher politischer Rückständigkeit droht uns Deutschenpolitische Unfreiheit vor allem von seiten einer radikalenDemokratie und des Sozialismus.
3. Es ist eine Hauptaufgabe der Zukunft, unter vollerWahrung und Vertiefung der inneren Freiheit echtepolitische Freiheit in unserem Vaterlande zu entwickeln.
[5]Über die deutsche Freiheit zu reden, das kann in diesenTagen gewagt, ja vermessen dünken, wo Deutschlandschwer gelähmt, von übermächtigen Gegnern unterdrückt undin seiner Kraft durch inneren Zwist gebrochen darniederliegt;es wäre ein solches Unternehmen in Wahrheit töricht, hätteder augenblickliche Stand unseres Volkes das entscheidendeUrteil über sein Ergehen und seine Bedeutung zu fällen,und besäße nicht die deutsche Art und die deutsche Geschichteeinen tieferen Gehalt und eine größere Kraft als unmittelbarvorliegt; nur eine solche Überzeugung läßt uns Mut, Hoffnung,ja Zuversicht inmitten aller Trübsale schöpfen; siegibt uns zugleich das Vertrauen, daß die deutsche Freiheitkein bloßes Wahnbild ist, ja daß sie nicht nur uns selbst, sondernauch dem Ganzen der Menschheit unentbehrlich ist. Ist dasaber der Fall, so muß und wird sie sich irgendwie gegen alleHemmungen durchsetzen, die Menschen aber müssen ihrbewußt oder unbewußt dienen.
Zunächst sei der Freiheitsgedanke in seinen weltgeschichtlichenZusammenhängen kurz gewürdigt; wir werden sehen,daß auch das deutsche Leben ihm eng verbunden ist. Allesheutige Streben nach Freiheit ist ein Ausfluß der Bewegung,welche die gesamte Neuzeit durchdringt und sie von anderenEpochen deutlich abhebt. Galt im Altertum und im Mittelalter[6]das Weltall mit seinen ewigen Sternen und mit ihmder menschliche Lebenskreis als ein festbegründetes undgeschlossenes Ganzes und schien dieses Ganze alles Menschlichezu binden und zu lenken, so wird nun zum leitenden Gedankenein Reich der Freiheit mit seiner unermeßlichen Fülle;die Ordnung aber tritt erst an die zweite Stelle. Nunmehrwird alle Wirklichkeit in Fluß versetzt und zu rastloser Bewegungangehalten; es verbindet sich damit eng der Gedankeeines unbegrenzten Fortschritts zu immer weiteren Höhen;so wird nu