Es war in einem kleinen Indianerdorfe. In seinem Bezirke hatte icheine kleine Farm gepachtet, auf der ich Baumwolle pflanzte.Das Haus auf jener Farm war bei der letzten Revolution eingeäschertworden. Ich wohnte deshalb in einer schlichten Hütteim Dorfe. Da ich in der ganzen weiten Gegend der einzige Weißewar, kannten mich alle Indianer auf dreißig Meilen im Umkreise.Die Indianer dort können weder lesen noch schreiben, und alles,was über zwanzig ist (alle Finger und alle Zehen), das ist »Mil«oder Tausend. Aber was Tausend ist, wieviel es ist und wie essich in die Welt der Begriffe einordnet, dafür fehlt dem Indianerjedes Verständnis.
Aber ich konnte eine Zeitung lesen, hatte ein paar alte Schmöker,einige amerikanische Zeitschriften, konnte Briefe schreiben undlesen, und ich bekam sogar Briefe aus einem Lande, das sicherauf der andern Seite des Mondes liegen mußte. Kein Wunder,daß ich als ein gelehrter Mann angesehen wurde, dem kein Geheimnisder Welt verborgen ist. Manchmal hat das seine gutenSeiten. Ebensooft aber auch hat es Nachteile, die keineswegsangenehm sind. Von den zahlreichen Abenteuern, in die ich dadurch,daß die Eingeborenen an meine unfehlbare Weisheitglaubten, verwickelt wurde, möchte ich hier eines erzählen.Ich kam eines Nachmittags auf meinem treuen Esel heimgeritten,als ich vor dem Stacheldrahtzaun, der den Platz um meine Hütteeinfriedigte, einen Indianer hocken sah. Ich kannte ihn nicht,weil er aus einem andern Dorfe war. Wie die Mehrzahl derIndianer war er bitterarm und völlig zerlumpt. Er begrüßte michsehr höflich und wartete, bis ich abgestiegen war. Dann beganner sofort zu erzählen. In einem wirren Durcheinander redete erauf mich ein. Je weiter er in seiner Geschichte kam, desto mehrging sie ihm selbst zu Herzen, bis er endlich zu weinen anfing undseine Erzählung vor lautem Schluchzen abgebrochen werdenmußte. Im Verlaufe seiner Rede hatte er mir das, was er mirsagen wollte, etwa zwanzigmal wiederholt. Immer mit dengleichen wenigen Worten, die in schreiendem Weinkrampfendeten.
»Das ist so, Senjor, verdad, wahrhaftig. Ich komme in mein Haus.Ich habe Holz gefällt. Ich komme in mein Haus. Ich habe Hunger.Keine Tortillas stehen da und keine Frijoles. Ich rufe mein Weib.Meine Mujer. Keine Antwort. Sie ist nicht in meinem Hause.Ihr Sack mit ihrem Kleid und den Strümpfen und den Schuhenhängt nicht am Sprossen. Die Decke ist auch fort. Meine Mujerist mir fortgelaufen. Kommt nicht wieder. Ich habe keine Tortillas,und ich habe keine Frijoles, und ich habe Hunger. Sie istfort. Mit dem Sohn einer Hure, mit einem stinkenden Coyote,dessen verfluchte Mutter eine Hure ist. Die Rattenpest und dieBlattern auf den Hurensohn der Hölle.«
Nachdem ich dieselbe Geschichte nun wohl zwanzigmal mitangehört hatte, sagte ich: »Oiga, Hombre, hören sie, lieberMann, bei mir ist Ihre Mujer nicht.«
»Das weiß ich,« sagte er, »so ein kluger Mann wie sie, Senjor,würde diese dreckige alte Hexe nicht ins Bett nehmen.«
Nun begann er dieselbe Geschichte von neuem zu erzählen.Aber da es anfing, langweilig zu werden, immer dasselbe zuhören und tiefere Ausbrüche seiner inneren Erregung, die dieGeschichte hätten verschönern können, nicht zu erwarten waren,sagte ich: »Warum erzählen sie mir denn das alles? Gehen siezum Alkalden, dem Ortsschulzen, und lassen sie Ihre Frau einfangen.«
»Der Alkalde ist ein Dummkopf. Aber Sie wissen alles. Sie wissenauch, wo meine Mujer ist. Das solle