Anmerkungen zur Transkription:

Der Text stammt aus: Imago. Zeitschrift für Anwendung derPsychoanalyse auf die Geisteswissenschaften VII (1921). S. 361–386.

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Narzißmus als Doppelrichtung.

Von LOU ANDREAS-SALOMÉ.

I.

Was es auf sich hat mit dem Freudschen Narzißmusbegriff,das stellte sich erst allmählich immer bedeutsamer heraus,und erklärt damit vielleicht, warum, auch bei Gegnern undDissidenten, der Name so wenig diskutiert wurde, als decktenbereits sonstige Benennungen den gleichen Begriff. Ursprünglich, solangeNarzißmus tautologisch für Autoerotismus stand, war das jain der Tat der Fall; als Freud ihn dann übernahm, zur Kennzeichnungjener Libidophase, wo, nach autoerotischer Selbst- undWeltverwechslung des Säuglings, die erste Objektwahl auf dasSubjekt selber fällt, da rührte er dadurch zugleich schon an einweiterreichendes Problem: »Das Wort ›Narzißmus‹ will betonen,daß der Egoismus auch ein libidinöses Problem sei, oder,um es anders auszudrücken, der Narzißmus kann als die libidinöseErgänzung des Egoismus betrachtet werden.« (Freud, Metaps.Erg. d. Trl.) Also kein Beschränktsein auf einzelnes Libidostadium,sondern als unser Stück Selbstliebe alle Stadien begleitend; nichtprimitiver Ausgangspunkt der Entwicklung nur, sondern primär imSinne basisbildender Dauer bis in alle spätern Objektbesetzungender Libido hinein, die darin ja, nach Freuds Bild dafür: nur, derMonere gleich, Pseudopodien ausstreckt, um sie nach Bedarf wiederin sich einzubeziehen. Allerdings stellte Freuds Einführung desNarzißmusbegriffs in die theoretische Psychoanalyse von vornhereinzu dessen Definition fest, daß die psychischen Energien: »im Zustande des Narzißmus beisammen und für unsre grobe Analyseununterscheidbar sind, und daß es erst mit der Objektbesetzungmöglich wird, eine Sexualenergie, die Libido, von einer Energieder Ichtriebe zu unterscheiden.« Mithin als Grenzbegriff gesetzt,über den Psychoanalyse nicht hinaus kann, bis zu dem hin sie jedochtherapeutisch zu dringen hat, als dem Punkt, wo krankhafteStörung erst ganz sich zu lösen, Gesundheit sich zu erneuen vermag,weil »krank« und »gesund« daran letztlich falsche oder rechteAufeinanderbezogenheiten der zwei innern Tendenzen bedeuten, jenachdem diese sich hemmen oder fördern.

Indem beides sich am personellen Träger vollzieht, grenzt es,mit dessen steigender Bewußtheit seiner selbst, sich desto undeutlichervoneinander ab: macht den Umstand immer noch unmerklicher,daß im libidinös Gerichteten sich etwas durchsetzt, was derEinzelperson als solcher entgegengerichtet bleibt, was sie löst,zurücklöst in dasjenige, worin sie vor ihrer Bewußtheit noch füralles stand, wie alles gesamthaft für sie. Denn sollen Icherhaltungs-,Selbstbehauptungstriebe sich von libidinösen überhaupt begrifflichstreng trennen, so kann Libido nichts anderes besagen als ebendiesen Vorgang: diesen Bindestrich zwischen erlangter Einzelhaftigkeitund deren Rückbeziehung auf Konjugierendes, Verschmelzendes;im narzißtischen Doppelphänomen wäre sowohl die Bezugnahmeder Libido auf uns selbst ausgedrückt als auch unsere eigene Verwur

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