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Für Jung und Alt wiedererzählt
von
Gustav Schwab
Siebenter Band:
Die Schildbürger · Doktor Faustus
Verlag von Philipp Reclam jun. Leipzig
Vgl. die Einleitung im ersten Heft der Deutschen Volksbücher.
(Univ.-Bibl. Nr. 1424.)
Druck von Philipp Reclam jun. Leipzig
Printed in Germany
In dem großmächtigen Königreich Utopien, hinterKalekutta, liegt ein Dorf oder Bauernstädtchen, Schildagenannt, von welchem mit allem Fug das alte Sprichwortgerühmt werden konnte:
Denn auch die Schildbürger waren in ihrer VorelternFußstapfen getreten und darin verharrt, wenn sienicht die Not, der kein Gesetz vorgeschrieben ist, oderdie Förderung des lieben Vaterlandes nötigte, einenandern Weg zu treten.
Der erste Schildbürger war ein hochweiser undverständiger Mann, und es ist wohl zu erachten, daßer seine Kinder nicht wie die unvernünftigen Tiereherumlaufen ließ. Ohne Zweifel war er ein strengerVater, der ihnen nichts Arges nachsah; vielmehr unterwieser sie als ein getreuer Lehrer, und sie wurdenmit allen Tugenden aufs höchste geziert, ja überschüttet,so daß ihnen in der ganzen weiten Weltniemand vorzusetzen oder auch nur zu vergleichenwar. Denn zu derselben Zeit waren die weisen Leutenoch gar dünne gesäet, und war es ein seltenes Ding,wenn einer derselben sich hervortat. Sie waren garnicht so gewöhnlich, wie sie jetzt unter uns sind, woein jeder Narr für weise gehalten werden will. Deswegenverbreitete sich der Ruhm von ihrem hohenVerstand und ihrer seltenen Weisheit über alle Landeund ward Fürsten und Herren bekannt; wie sich denn[4]ein so herrliches Licht nicht leicht verbergen läßt,sondern, wo es sich finden mag, seine Strahlen vonsich wirft.
So kam es oft, daß aus ferne gelegenen Ortenvon Kaisern und Königen Botschaften an sie abgefertigtwurden, um sich in zweifelhaften SachenRats zu erholen, der immer überflüssig bei ihnenzu finden war, da sie voll von Weisheit steckten.Auch fand man immer, daß die treuen Ratschläge,die sie gaben, nicht ohne besonderen Nutzen abgegangen.Dadurch schufen sie sich in der ganzenWelt einen großen Namen und wurden mit vielSilber, Gold, Edelstein und anderen Kleinodien begabt,weil Geistesgaben damals viel höher geschätztwurden als in dieser Zeit. Endlich kam es gar soweit, daß Fürsten und Herren, die ihrer keineswegsentbehren konnten, es viel zu weitläufig fanden,Botschaften zu ihnen zu schicken, sondern jeder begehrteeinen der Schildbürger in Person bei sich amHofe und an seiner Tafel zu haben, damit er sichdesselben täglich in allen Vorkommenheiten bedienenund aus seinen R