Wilhelm Raabe.Wilhelm Raabe.

Zum wilden Mann.

Eine Erzählung

von

Wilhelm Raabe.

Mit dem Bildnis des Verfassers.

Leipzig

Druck und Verlag von Philipp Reclam jun.

Erstes Kapitel.

Sie machten weit und breit ihre Bemerkungen überdas Wetter, und es war wirklich ein Wetter, über das jedermannseine Bemerkungen laut werden lassen durfte, ohneSchaden an seiner Reputation zu leiden. Es war ein demAnscheine nach dem Menschen außergewöhnlich unfreundlicherTag gegen das Ende des Oktober, der eben in denAbend oder vielmehr die Nacht überging. Weiter hinaufim Gebirge war schon am Morgen ein gewaltiger Wolkenbruchniedergegangen, und die Vorberge hatten ebenfallsihr Teil bekommen, wenn auch nicht ganz so arg als Volk,Vieh, Wald, Fels, Berg und Thal weiter oben. Sie warenunter den Vorbergen nordwärts vollkommen zufriedenmit dem, was sie erhalten hatten, und hätten gern aufalles weitere verzichtet, allein das Weitere und Übrigekam, und sie hatten es hinzunehmen, wie es kam. IhreAnmerkungen durften sie freilich darüber machen; niemandhinderte sie.

Es regnete stoßweise in die nahende Dunkelheit hinein,und stoßweise durchgellte ein scharfer, beißender Nordwind,ein geborener Isländer oder gar Spitzbergener, aus dernorddeutschen Tiefebene her die Lüfte, die Schlöte und dieOhren und ärgerte sich sehr an dem Gebirge, das er, wiees schien, ganz gegen seine Vermutung auf seinem Wegenach Süden gefunden hatte. Er war aber mit der Nasedarauf gestoßen oder vielleicht auch darauf gestoßen wordenund heulte gleich einem bösen Buben, der gleichfalls mitdem erwähnten Glied auf irgend etwas aufmerksam gemacht[6]und hingewiesen wurde. Ohne alle Umschreibung:der Herbstabend kam früh, war dunkel und recht stürmisch;— wer noch auf der Landstraße oder auf den durchweichtenWegen zwischen den nassen Feldern sich befand,beeilte sich, das Wirtshaus oder das Haus zu erreichen;und wir, das heißt der Erzähler und die Freunde, welcheer aus dem deutschen Bund in den norddeutschen und ausdiesem in das neue Reich mit sich hinübergenommen hat,— wir beeilen uns ebenfalls, unter das schützende Dachdieser neuen Geschichte zu gelangen.

Der Abend wird gemeiniglich eher Nacht, als man fürmöglich hielt; so auch diesmal.

Es ist recht sehr Nacht geworden. Wieder und wiederfegt der Regen in Strömen von rechts nach links überdie mit kahlen Obstbäumen eingefaßte Straße. Wir halten,kurz atmend, die Hand über die Augen, uns nach einemLichtschein in irgend einer Richtung vor uns umsehend.Es müssen da langgestreckte, in ihrer Länge kaum zu berechnendeDörfer vor uns, dem Gebirge zu, liegen, undder geringste Lampenschimmer südwärts würde uns dietröstende Versicherung geben, daß wir uns einem dieserDörfer näherten. Vergeblich!

Pferdehufen, Rädergeroll, Menschentritte hinter uns?Wer weiß?

Wir eilen weiter, und plötzlich haben wir das, waswir so sehnlich herbeiwünschen, zu unserer Linken dicht amPfade. Da ist das Licht, welches durch eine Menschenhandangezündet wurde. Eine plötzliche Wendung des Wegesum dunkles Gebüsch bringt es uns überraschend schnellvor die Augen, und wir stehen vor der Apotheke »zumwilden Mann.«

Ein zweistöckiges, dem Anscheine nach recht solides Hausmit einer Vortreppe liegt zur S

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