Anmerkungen zur Transkription:
Die Rechtschreibung und Zeichensetzung des Originals wurde weitgehendübernommen, lediglich offensichtliche Druckfehler wurden korrigiert.Die Originalvorlage ist in Fraktur gedruckt. Davon abweichende, in Antiqua gedruckteTextstellen sind hier (bis auf römische Ziffern und die Abkürzung»Dr.«) kursiv wiedergegeben.Am Ende des Textes befindet sich eine Listekorrigierter Druckfehler.
Roman aus der Berliner Gesellschaft
von
Theodor Fontane
S. Fischer, Verlag, Berlin
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An einem der letzten Maitage, das Wetter war schon sommerlich, bog einzurückgeschlagener Landauer vom Spittelmarkt her in die Kur- und dann indie Adlerstraße ein und hielt gleich danach vor einem, trotz seinerFront von nur fünf Fenstern, ziemlich ansehnlichen, im übrigen aberaltmodischen Hause, dem ein neuer, gelbbrauner Ölfarbenanstrich wohletwas mehr Sauberkeit, aber keine Spur von gesteigerter Schönheitgegeben hatte, beinahe das Gegenteil. Im Fond des Wagens saßen zweiDamen mit einem Bologneserhündchen, das sich der hell- und warmscheinendenSonne zu freuen schien. Die links sitzende Dame von etwa dreißig,augenscheinlich eine Erzieherin oder Gesellschafterin, öffnete, vonihrem Platz aus, zunächst den Wagenschlag, und war dann der anderen, mitGeschmack und Sorglichkeit gekleideten und trotz ihrer hohen fünfzignoch sehr gut aussehenden Dame beim Aussteigen behilflich. Gleich danachaber nahm die Gesellschafterin ihren Platz wieder ein, während dieältere Dame auf eine Vortreppe zuschritt und nach Passierung derselbenin den Hausflur eintrat. Von diesem aus stieg sie, so schnell ihreKorpulenz es zuließ, eine Holzstiege mit abgelaufenen Stufen hinauf,unten von sehr wenig Licht, weiter oben aber von einer schweren Luftumgeben, die man füglich als eine Doppelluft bezeichnen konnte. Geradeder Stelle gegenüber, wo die Treppe mündete, befand sich eine Entreetürmit Guckloch, und neben diesem ein grünes, knittriges Blechschild,darauf »Professor Wilibald Schmidt« ziemlich undeutlich zu lesen war.Die ein wenig asthmatische Dame fühlte zunächst das Bedürfnis, sichauszuruhen, und musterte bei der Gelegenheit den ihr übrigens von langerZeit her bekannten Vorflur, der vier gelbgestrichene Wände mit etlichenHaken und Riegeln und dazwischen einen hölzernen Halbmond zum Bürstenund Ausklopfen der Röcke zeigte. Dazu wehte, der ganzen Atmosphäre auchhier den Charakter gebend, von einem nach hinten zu führenden Korridorher ein sonderbarer Küchengeruch heran, der, wenn nicht alles täuschte,nur auf Rührkartoffeln und Karbonade gedeutet werden konnte, beides mitSeifenwrasen untermischt. »Also kleine Wäsche«, sagte die von dem allenwieder ganz eigentümlich berührte stattliche Dame still vor sich hin,während sie zugleich weit zurückliegender Tage gedachte, wo sie selbsthier, in eben dieser Adlerstraße, gewohnt und in dem ger