Von
Jenny Neralc
Mit 4 Abbildungen im Text
und
einer Illustrations-Beilage
Winden in Westfalen
Druck und Verlag von Wilhelm Köhler
1924
Nun sollte es also doch Wahrheit werden!
Ich sollte Kamerun sehen!
Das lang und heiß Ersehnte, aber nie Erhoffte sollte greifbareGestalt annehmen.
Kamerun! Allein das Wort hatte stets einen faszinierendenReiz auf mich ausgeübt. Von allen fremden Ländern wares stets der schwarze Erdteil, der mich am meisten anzog undvon diesem wiederum Kamerun. Schon als Kind verschlangich alle sich darauf beziehenden Reisebeschreibungen und sahich – als Hamburgerin – Dampfer der Woermannlinie nachKamerun ausreisen, was ich mir nicht oft entgehen ließ,konnte ich mich oft eines Tränenstromes nicht enthalten, sodaßmanch' lächelnder Blick der am Kai versammelten Menschendas kleine, dicke Mädel traf, dessen Kummer allen unverständlichwar.
Nie hätte ich geglaubt, daß sich mein glühender Wunschnoch dermaleinst verwirklichen würde; doch das Schicksalmeinte es gut mit mir, indem es mir in meinem Lebensgefährteneinen Mann zuführte, der bereits 5 Jahre Kamerunbereist, eine tiefe Liebe für dieses schöne Land empfand. Erverstand und würdigte meine Sehnsucht und überglücklich warich, als er mir als Hochzeitsgabe eine Reise nach Kamerunversprach.
Welch' herrlicher Gedanke! An der Seite des geliebtenMannes das Land meiner Sehnsucht aufzusuchen und kennenzu lernen. Wie dankbar war ich ihm für seine Güte, die mirdiese herrlichste aller Hochzeitsgaben bescherte.
Drei Tage nach unserer Trauung in Dresden fuhren wiram 7. September nach Hamburg. Ein gemütlicher Abend hieltuns bei lieben Freunden fest, wo unsere Abreise weidlich begossenwurde. Spät trennten wir uns, begleitet von gutenWünschen der Freunde, doch lange konnte ich keinen Schlaffinden, denn in unregelmäßigen Zwischenräumen drang dasHeulen der Sirenen in unser Hotelzimmer und erneuerteimmer wieder das wunderselige, wonnige Gefühl: »Morgen,morgen gehts hinaus in die weite, herrliche Welt!«
Am andern Abend um 10 Uhr begaben wir uns an Bord.Am Morgen des nächsten Tages um 7 Uhr wurden die Tauevom Kai gelöst und langsam fuhren wir, von einem Schleppergezogen, unter den heiter-wehmütigen Klängen des hübschen,uralten Liedes: »Muß i denn, muß i denn zum Städteleinhinaus« und dem Hurrarufen und Tücherschwenken der amKai Stehenden, aus dem Hafen hinaus, die Elbe hinunter.
Das eben erwachende Blankenese, mit seinen schmucken,in Grün gebetteten, Wohlstand verratenden Villen und demstolzen Süllberg sandte uns in lachender Morgensonne seineAbschiedsgrüße zu und weiter gings, an den blühenden Elbhügelnentlang, dem offenen Meere zu.
Ein buntes Leben und Treiben entwickelte sich vor unserenAugen in der Elbmündung, denn unzählige kleine Küstendampfer und Fischkutter steuerten, geschickt manöverierend,unter Volldampf ihrem Ziele zu.
Nachdem wir die Feuerschiffe passiert hatten, fuhren wirmit halber Kraft in die Nordsee ein. Unser Schiff begannjetzt unter den leichten Wellen der Nordsee etwas zu stampfen,doch, als geborene Hamburgerin des Seereisens von einigenÜberfahrten nach Helgoland und Dänemark nicht ganz ungewöhnt,machte mir die stampfende Bewegung des Schiffes vielVergnügen.
Fern am Horizonte tauchten die Umrisse unseres befestigtenFelsen-Eilandes, Helgoland, auf, um welches herum, malerisch,und doch in Schlachtenformation gruppiert, ein Teilunseres Hoch