Produced by Michael Wooff, with German from the original

text, and his own translation

Deutscher Mondschein

Eine Erzählung von Wilhelm Raabe (1831-1910)

Erzählen wir ruhig und ohne alle Aufregung. Ich bin ein selbst fürDeutschland außergewöhnlich nüchterner Mensch und verstehe es, meinefünf Sinne zusammenzuhalten. Außerdem bin ich Jurist, der Mannmeiner Frau und der Vater meiner Söhne. Weder zur Zeit derHolunderblüte noch zur Zeit der Stockrosen, Sonnenblumen und Asternpflege ich mich sentimentalen oder romantischen Anwandlungenausgesetzt zu fühlen. Ein Tagebuch führe ich nicht; aber sämtlicheJahrgänge meines Terminkalenders halten in meiner Bibliothekwohlgeordnet ihren Platz fest. Diese alles vorausgeschickt, teileich mit, daß ich mich im Jahre 1867 auf ärztlichen Rat, der Seeluftund des Meerwassers wegen, auf der Insel Sylt befand und daß ichdaselbst eine Bekanntschaft machte—eine ganz außerordentlicheBekanntschaft.

Selbstverständlich kann ich mich nicht dabei aufhalten, das oftEmpfundene und noch häufiger Geschilderte und in Briefen oder durchden Druck Verbreitete von neuem durch eine schriftliche Wiedergabemeiner eigenen Erfahrungen und Gefühle zu berichtigen oder zubekräftigen. Wogenschlag, Sandhafer und Sandroggen, Möwenflug undvor allem der Westwind machten auf jeden, der von einer deutschenBeamtenexistenz den Schweiß und den Staub abzuspülen hat, einenangenehmen, erfrischenden Eindruck. Sie verfehlten ihre Wirkung auchauf mich nicht, zumal da die Anstrengungen, die der erwähntenErfrischung vorangingen, nicht gering waren.

Ich wohnte auf der Grenze der beiden Dörfer Tinnum und Westerland undhatte also, um zum Strande und in die heilige Salzflut zu gelangen,einen Weg von mindestens einer halben Stunde zurückzulegen. Einnicht kürzerer Weg führte dann zu dem edlen Mann, der unsallmittäglich für einen soliden Preis von innen aus wiederauferbaute. Auf häuslichen Komfort oder gar Luxus mache ich als anGenügsamkeit gewöhnter deutscher Staatsdiener überhaupt keinenAnspruch. Da ich von meinen einundzwanzig Pfeifen sieben mit mirführte, würde ich mich selbst in einem Hünengrabe behaglicheingerichtet haben.

Gut—ich wohnte bei einem Bäcker, der seinen Backofen mitStrandholz, das heißt dem in den Strandauktionen von gestrandetenSchiffen erstandenen Gebälk und Sparren- und Balkenwerk heizte. Ichhalf ihm dann und wann, dieses Holz zu spalten, und fühlte mich hiergemütlich dadurch angeregt—daheim widme ich mich dem Geschäft mehraus sanitätischen Gründen.

Daheim säge und spalte ich in meinen Mußestunden mein Brennholz, hiertrieb ich Allotria oder studierte einige vorsichtigerweise im Gepäckmitgeführte Abhandlungen über die braunschweigische Erbfolge. In denGeschäftsstunden ging ich am Strande spazieren.

Bei einem solchen Badeaufenthalt zieht sich alles in die Länge. ZuHause wandle ich jeglichen Tag und in jedem Wetter rund um die zuSpaziergängen eingerichteten Wälle meiner Amststadt; auf Sylt speisteich, hielt eine Stunde auf einer Düne Siesta und lief dann geradeausgen Norden den Strand entlang, manchmal bis zum Roten Kliff, jedochgewöhnlich nur bis zu den Badehütten von Wenningstedt.

Da das Meer wie ein Waschweib beiderlei Geschlechts nichts bei sichbehalten kann, sondern alles wieder auswirft, so waren diese Gängenie ohne ihre Reize; denn wenn ich auch ein Mann der Prosa bin, sokann ich doch einen toten Seehund mit einer gewissen Melancholie vomRücken auf den Bauch wenden und meine Gedanken dabei haben.

Gut—oder diesmal vielmehr: besser! Ich befand mich ungefähr drei
Wochen auf dieser lang von Süden nach Norde

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