ZUR GESCHICHTE

DER

ENGLISCHEN VOLKSWIRTHSCHAFTSLEHRE

VON

WILHELM ROSCHER.


Aus dem III. Bande der Abhandlungen der Königlich Sächsischen Gesellschaft
der Wissenschaften.


LEIPZIG

WEIDMANNSCHE BUCHHANDLUNG.

1851.

 

ZUR GESCHICHTE

DER

ENGLISCHEN VOLKSWIRTHSCHAFTSLEHRE

IM

SECHZEHNTEN UND SIEBZEHNTEN JAHRHUNDERT.

VON

W. ROSCHER.


[S. 3]Ihr eigentlich goldenes Zeitalter scheint die volkswirthschaftlicheLiteratur der Engländer zwischen 1742 und 1823 gehabt zu haben, d. h.von dem ersten Erscheinen der Hume'schen Essays an bis auf den Todvon David Ricardo. Hume, Adam Smith, Malthus und Ricardosind die Chorführer dieser Periode, die Häupter der englischen Schuleder Nationalökonomie. Und ich wüsste unter den Neueren kein Volk,keine Zeit, die in irgend einer Kunst oder Wissenschaft eine relativvollkommenere Schule besessen hätten. — Jene vier grossen Engländerstehen im innigsten geistigen Zusammenhange unter einander; jedervon ihnen hat den Faden der Untersuchung fast genau da aufgenommen,wo ihn die Vorgänger hatten liegen lassen. Zugleich aber hat jederauch durch neue, umfassende, ganz eigenthümliche Urbarungen dasFeld der Wissenschaft erweitert; und nicht bloss dem Umfange nach,sondern ebenso sehr durch Vertiefung und Verschärfung der Methodeselber. — Diese Schule ist im höchsten Grade universal: noch heutegilt insbesondere Adam Smith bei der Mehrzahl für den Gründer derwissenschaftlichen Nationalökonomie überhaupt, englische Schule undTheorie überhaupt für gleichbedeutend; wie sie denn allerdings geradein den allgemeinsten, abstractesten Lehren ihre vornehmliche Stärkehat. Zugleich aber ist sie im höchsten Grade national: jene Männersind durch und durch Engländer, mit Leib und Seele; ihre Grundsätze,ihre Beispiele wurzeln gänzlich in der Politik und Geschichte ihres Volkes,sind insgemein auf dessen Gesichtskreis beschränkt. Diesen Gesichtskreisübrigens haben sie mit bewunderungswürdigem Erfolge zuumfassen und zu beherrschen gesucht: sie haben die englische Philologieund Geschichtsschreibung, die englische Geographie und Naturforschungvortrefflich für ihre Zwecke ausgebeutet. Von allem dem,was die Engländer neuerdings auf dem Gebiete des abstractern, systematischernDenkens geleistet haben, ist ihre Nationalökonomie ziemlichanerkannter Massen das Vollkommenste. Daher die grosse Popularität[S. 4]dieser Wissenschaft in England, für die sich Alles, vom Premierministeran bis zum Fabrikarbeiter herab, auf das Lebhafteste interessiert. Ueberhauptkann man sagen, dass die klassischen Volkswirthschaftslehrer vonEngland sehr gut jene gerade Mittelstrasse eingehalten haben zwischenSpeculation und Erfahrung, Theorie und Praxis, Allgemeinem und Besonderem,Originalität und Studium, welche von jeher die bestenSchulen in ihrer besten Zeit zu charakterisieren pflegt.

Heutzutage sind die Verhältnisse in vieler Hinsicht anders geworden.Nicht, als ob es in England gegenwärtig fehlte an tüchtigenNationalökonomen. Die Namen Senior, MacCulloch, Torrens, Tooke,Loyd, Porter u. A. wird kein Sachkundiger anders, als mit Hochachtungaussprechen. Ebenso wenig aber können sie den früheren grossenMeistern zur Seite gestellt werden. Sie haben die vorhandenen Methodenvielfach genauer, detai

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